Formationes – Choreographien des Augenblicks (1998 – 2008)
An der Serie »Formationes – Choreographien des Augenblicks« hat Rainer Zerback von 2002 bis 2008 gearbeitet. Auf den ersten Blick scheint die Serie in strengem Gegensatz zu den übrigen Projekten »Contemplationes«, »Reflectiones«, »Constructiones« und »Geopolis« zu stehen, die zivilisatorisch geprägte, abgeschiedene oder urbane, aber fast immer menschenleere Landschaften zum Thema haben. Die Bilder der Serie »Formationes« hingegen zeigen Menschen – in einem jeweils mehr oder weniger komplexen Gefüge von Interaktionen. Für das Projekt gab es zweierlei Antriebe. Zum einen besteht die Verbindung zu den anderen Projekten über den Aspekt Zivilisation. Zum anderen sollte ein Projekt gewählt werden, das sich im Gegensatz zu den langsam voranschreitenden übrigen Projekten zügig im Alltag bearbeiten ließ.
Die Intention der Serie ist es, choreographiert anmutende Konstellationen, die sich in alltäglichen oder ungewöhnlichen Situationen zufällig ergeben können, fotografisch einzufangen. Die Art und Weise, wie die Kamera die Kontinuität eines Geschehens zu Standbildern einfriert, vermittelt den Anschein, dass die Situation selbst Abläufe inszeniert und Personen – Figuren – zu kunstvollen Gebilden arrangiert: Choreographien des Augenblicks. Dabei muss es sich nicht immer um den entscheidenden Augenblick eines Geschehens handeln. Es kann auch der Zeitpunkt davor oder danach sein, der diesen Augenblick quasi narrativ einschließt.
Von der Zielsetzung her stehen nicht die gezeigten Individuen in ihrer Individualität im Mittelpunkt, nicht die psychologischen Faktoren oder Verhaltensmuster, die möglicherweise die dargestellten Konstellationen zu Wege bringen, sondern allein die formalen Gruppierungen, die »Formierungen«, die für begrenzte Zeitabschnitte zustande kommen können. Inhaltlich sind die Bilder deshalb häufig nicht eindeutig, dennoch mag der Betrachter versucht sein, jenseits der primären Intention die inhaltlichen Hintergründe zu eruieren.
Im Laufe der Arbeit an der Serie stellte sich heraus, dass es wiederkehrende Standardkonstellationen gibt, denen Muster und Rituale zugrunde liegen, wie Menschen – abhängig und unabhängig von der Kamera – agieren und interagieren. Solche Muster finden sich bei verschiedensten Anlässen und über kulturelle Grenzen hinweg. Sie lassen die spezifischen Gegebenheiten eines Ereignisses hinter sich.
Damit entwickelte sich nach einigen Jahren Arbeit an dem Projekt »Formationes« eine zweite Zielsetzung: Der Vergleich der Bilder und der dargestellten Situationen untereinander. Innerhalb der Serie werden deshalb Bilder zu Unterserien gruppiert. Neben Unterserien, deren Bilder parallele, gleichartige Konstellationen darstellen, umfasst das Projekt Unterserien, die gezielt Unterschiede zwischen den abgebildeten Situationen herausarbeiten oder deren Bilder sich beispielsweise gegenseitig ironisch kommentieren. Die Bilder erhalten dadurch eine zusätzliche Bedeutungsebene, die im Einzelbild nicht vorhanden ist.
Die Fotografien sind aus geringer Entfernung mit kurzer Brennweite aufgenommen, so wähnt sich der Betrachter inmitten des Geschehens. Diesen Effekt verstärkt eine durchgängige Schärfe, die dank der Verwendung einer kleinen Blende entsteht. Die Situation selbst muss bereits eine gewisses Maß an Intensität und Akkumulation mitbringen, damit die Bilder trotz der vereinzelnden Wirkung des Weitwinkelobjektivs ihre kompositorische Dichte erlangen. Häufig sind die Bilder nicht mit einem Blick zu erfassen, weil sie über einen komplexen Aufbau und vielfältige innerbildliche Beziehungen verfügen.
Ausführung
Digitaler Inkjetprint, Format 61 × 42 cm auf Aludibond
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Publikation
Formationes – Choreographien des Augenblicks. Einleitung Volkhard Wolf. Mosbach 2008