Fotografie

Kunst in den Gewölben

Mitgliederausstellung des Kunstvereins Germersheim

04.11.2023 bis 03.12.2023

Einführung Christina Körner

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich zu der Eröffnung der Mitgliederausstellung mit 34 teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern in den wunderschönen Räumen des Kunstvereins Germersheim. Die Mitgliederausstellung zeigt jedes Jahr erneut die Vielfalt des künstlerischen Schaffens und bietet die Möglichkeit, die lokale Kunstszene bekannt zu machen und nicht zuletzt die Werke käuflich zu erwerben.

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Doch wenden wir uns nun der Kunst zu. Ich möchte keine Grüppchen und thematischen Häufchen bilden, also Abstraktion gegen Figuration, Farbe gegen Nicht-Farbe, Schwarz gegen Weiß, oder Kategorien bilden wie Malerei, Zeichnung, Fotografie, Collage und Bildhauerei. Wir begeben uns gemeinsam auf einen Spaziergang durch die Gewölbe und Sie als ZuhörerInnen ›lernen‹ alle ausstellenden KünstlerInnen und ihre Werke kennen. Beginnen möchte ich im Foyer und schließen im sechsten Gewölbe.

Im Foyer empfängt uns linker Hand das »Traumschloss in Mitwitz«, eine Fotografie von Wigand Schneiderheinze, der hier beim historischen Wasserschloss bei Coburg mit der Kamera unterwegs war und in Zeiten der Digitaltechnik die Fotografie mit Photoshop bearbeitete. Wir kommen zu Karl-Heinz Petrys »Rosen«, eine Origami-Arbeit inmitten der Origami-Umgebung, die sich mit der japanischen Kunst des Papierfaltens auseinandersetzt, und treffen ihn nochmals in Koje vier mit Aquarellen.

Gegenüber der zwei großformatigen Fotografien Frank Küppers, der hier mit Schwarz und Weiß, Unschärfe und Schärfe, Erkannt-Werden und Unerkannt-Bleiben und dem Abbilden weiblicher Schönheit spielt, hängen Katharina Berons Fotografien. Sie macht ihr Gesicht zur Leinwand in ihren fotografischen Selbstporträts in Schwarz-Weiß und akzentuiert sie mit Farbe und ungewöhnlichen Accessoires. Diesen Blick des Betrachters fängt Sabine Adler in ihrer farbigen Zeichnung ein – der Blick über die Schulter weniger kokett, eher fragend und melancholisch. In der Koje rechts sehen wir drei Fotografien von Florian Adler. Hier tauchen wir ein ins Dunkel des urbanen Lebens. Seine Fotografien hat er in Seoul aufgenommen, ein vermeintlich falsch aufgehängter Mond ist eine Spiegelung, die uns vor allem auf eine falsche Fährte setzt. Horst Steiers Bilder erinnern uns an Petrischalen mit Zellen, Organismen, kleinteilige Strukturen – eine bunte Welt der Mikroorganismen, die in mehr oder weniger intensiver Beziehung stehen, sich gruppieren, konzentrieren, verdichten und neue Einheiten bilden. Eine ganz andere Welt zeigt uns daneben Susanne Degner: Ihre Bilder aus dem Himalaya tragen die Titel »Wünsche«, »Gedankenwege« und »Sehnsucht« und lassen uns von oben einen Blick werfen in eine uns fremde Welt – jedoch mit ähnlichen Symbolen, wie wir sie kennen. Bevor wir in die nächste Koje schlendern, sehen wir drei kleine Figuren von Bettina Kresslein an der Front. Die kleinen Aquarelle tragen die Titel »Regen I-III« und sind nahe an der Karikatur. Schauen wir genauer hin, trägt der kopflose Wanderer ein großes Regencape und Wanderstöcke.

In der Folge-Koje zeigt Elke Pfaffmann sowohl die Malerei »Bubbles« als auch zwei Glasobjekte auf Sockeln. Sie ist von Glas fasziniert, und die Einzigartigkeit des transparenten Werkstoffs hat sie zu vielen Experimenten inspiriert. Welche Symbolik will Christina Behret uns mit den drei Skulpturen aus silbernem Draht und türkisfarbenem Plastik mit dem Titel »Heilerin« mitteilen, können wir uns gleich daneben fragen. Wolfhard Tannhäuser zeigt uns Fotografien auf AluDibond aus der Serie »faces from the holy land« – eindringliche Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die nicht nur durch die Thematik ganz aktuell sind: zwei Porträts von lächelnden jungen Menschen – ein jüdischer Junge und ein palästinensischer Junge und in der Mitte ein Friedhof. Gegenüber haben wir Stefan Kindel, und unser Blick entspannt sich – bei den schwarz-weißen Fotografien »Uferzone«. Sie scheinen zunächst Informationen des Alltäglichen zu sein, bilden ein Muster durch Form und Farbe und sind scheinbar frei von belastenden Fragen nach tiefen Bedeutungsebenen.

Wir kommen zu Helga Boebel – einem Materialbild aus bemaltem Holz und Metall, das uns nicht nur entsprechend des Titels »Phönix aus der Asche« an einen Vogel erinnert – als Zeichen des Neuanfangs – und daneben zwei Holzschnitte. Wir gehen weiter zu Heidi H. Kuhns Bilder »Zeit des Golds«, die uns an Tafelbilder mit einer geprägten, bearbeiteten Oberfläche in Gold und in seiner Symbolhaftigkeit für göttliches Licht erinnern. Daneben Silvia Mielke, die aus Holz und Papier Objekte schafft, die strenge Strukturen ergeben. Sie verarbeitet Telefonbücher als Träger gebündelter Kommunikation und verdeutlicht damit das Spektrum »Mensch«, obgleich er nicht zu sehen ist. Bei den Linolschnitten und Kompositionen in Mischtechnik von Reinhold Braun tauchen bestimmte Formen immer wieder auf. Er dekliniert sie durch, erstellt Raster und Gitter sowie Ellipsen, hier vor allem als Vasen zu erkennen. Gegenüber die Bilder von Friedrich Dickgießer, dessen Formenkanon labyrinthisch ist. Das Formengerüst ist Ausgangspunkt für Linien, Farben erzeugen Kontraste, werden mit der Farbtube frei gezogen und die Matt-Glanz-Effekte auf seinen Bildern verstärken die Spiegelungen.

Wir gehen weiter zur nächsten Koje und sehen Bahaidens Werke. Sie sind aus der Serie »Utopie«. Die stilisierte Figur in seinen Gemälden ist der Mensch in der Fremde. Die Farbe Lila steht für »Aeonium«, den Blumen der Liebe. Utopie als Sehnsucht nach Frieden unter den Völkern und Nationen, gerade im Angesicht von Zerstörungen, Ungerechtigkeiten und Kriegen, um den Menschen Hoffnung zu geben und die Idee zu vermitteln, dass eine bessere Gesellschaft möglich ist. Sylvia Richter Kundels Arbeiten sind der Konzeptkunst zuzurechnen. Wiedersprüche und Skurrilitäten stehen im Mittelpunkt, wie hier ihre drei Fotografien auf AluDibond beweisen und nach einem zweiten Blick verlangen. Das verlangen auch die Fotografien daneben: Die Arbeiten von Rainer Zerback aus der Serie »Contemplationes« scheinen poetisch-zart mit fast romantischer Anmutung. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass diese Orte nicht unberührt sind, also weder Unorte noch romantische Idylle. Seine fotografischen Arbeiten befassen sich mit dem Thema Zivilisation: wie reagiert der Mensch auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, fragt Zerback. Rechts daneben ist Dieter Kühn zu sehen: er überarbeitet Fotografien, die er am Computer verändert und man sieht ihnen die Verwandtschaft zur Malerei an, denn er versieht sie mit individuellen Übermalungen – mit Bleistift, Buntstift oder Gouache. Bei Beate Kuhn zeigen intuitiv gemalte Linien, die mit Farbe gefüllt sind, Gedanken, Emotionen und Strukturen, die durch den Rahmen und das farbig gefasste Passepartout hervorgehoben werden.

Wir wandern in die nächste Koje und sehen bei Felicitas Wiest Techniken wie Hochdruck mit Zeichnung kombiniert. Bei den Arbeiten gibt es Durchsichten von der obersten Druckschicht in die tieferen Ebenen. Geometrische Formen stehen organischen Formen gegenüber, und die abgestufte Farbigkeit führt zur räumlichen Wirkung. Gleich daneben schafft Leni Karr mit Aquarellmalerei auf Papier eine räumliche Wirkung. Mal floral-naturalistisch, mal abstrakt-geometrisch. Und auch Gertrud Schneiderheinze macht mit ihrem farbsatten Aquarell des Schwanenweihers bei Annweiler auf die Schönheit der Natur aufmerksam. Weniger malerisch, mehr grafisch wirken die Arbeiten »Fields, Spaces und Frames« – Computersprache oder Ironie aus der Grafikmappe des Bureau Heuchel-Klag von Christian Heuchel, Gunter Klag und Mike Überall. Statisches und Bewegtes haben wir im nächsten Raum: Da sehen wir Anne-Marie Sprengers monochrome Arbeiten – mit Türkis aufgehellte, urbane oder landschaftliche Strukturen, die einen Sog im Bild zeigen, der uns geradezu den Boden unter den Füßen wegzieht. Gegenüber fällt der Blick auf die Flächen bei Marita Mattheck. Auch hier werden die bevorzugten Farben puristisch eingesetzt: ein Zusammenspiel von Collageteilen, Flächen, Linien und eckigen Formen, die an Architektur erinnern, aber auch menschliche Abwesenheit thematisieren.

Wenn wir in die letzte Koje spazieren, begegnen wir den Skulpturen von Petra Roquette. Charakteristisch für sie ist die Arbeit mit Holz. Sie kombiniert Fundstücke, organische Strukturen des Holzes bilden einen Kontrast zu den in Beton gegossenen, modellierten Köpfen, die die Figur vervollständigen. Jutta Peters legt sich nicht fest. »Ohne Titel« heißt ihr Triptychon aus Acryl und Kreide auf Leinwand – Farben aus der Palette Weiß-Grau-Schwarz durchziehen das Bild und schaffen gestisch Raum durch energische Spuren auf der Leinwand. Erneut werden wir Betrachtenden eingeladen, uns unabhängig vom Titel Gedanken zu den Arbeiten zu machen: Denn auch Georg Pfadt nennt seine Arbeiten in Mischtechnik »ohne Titel«, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit angesiedelt sind.

Damit komme ich zum Ende meines kleines Kunstspazierganges und möchte Sie auffordern, die Ausstellung mit offenem Blick zu durchstreifen und die Vielfalt zu entdecken. (…)

Christina Körner, November 2023

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