Fotografie

Places of Interest

Ausstellung im Böblinger Kunstverein

21.02.2020 bis 15.03.2020

Einführung Dr. Günter Baumann

Liebe Freunde der Kunst und des Böblinger Kunstvereins,

ich begrüße euch und Sie ganz herzlich zu einer Dreifach-Ausstellung, die exemplarisch zeigt, welche Aufgaben wir uns am Schlossberg gestellt haben. Zunächst aber freue ich mich, dass alle drei beteiligten Künstler hier sind: ich danke euch dafür – Linda Krimmel hat sich seit Jahrzehnten in den Landkreis eingewoben – du verzeihst mir diese doppelsinnige Formulierung –, dass ich sie kaum vorstellen muss. Rainer Zerback sei gegrüßt und gedankt für seine Präsentation der Fotoserie »Places of Interest«. Und nicht zuletzt stelle ich Silja Lenz vor, die sich im Projektraum mit der Frage nach Schuld und Wahrheit befasst. Nun, drei Bildsprachen, drei Künstler, drei Ausstellungen, die ganz eigenständig getrennt und zusammen betrachtet werden können.

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Rezension »Kreiszeitung Böblinger Bote«

Vielfältig, verspielt und verstörend

Kunstverein Böblingen präsentiert neben einer Ausstellung von Linda Krimmel zwei weitere Künstler im Alten Amtsgericht

Von Jutta Rebmann

BÖBLINGEN. Als Haus der Kunst präsentierte sich das Alte Amtsgericht auf dem Böblin-ger Schlossberg am Freitagabend. Der Kunstverein für Stadt und Kreis Böblingen eröffnete in seinen Räumen gleich drei Ausstellungen. Der Einladung war eine außerordentlich große Anzahl von Kunstfreunden gefolgt, so dass Eröffnungsredner Günter Baumann allen Grund hatte, gut gelaunt zu sein. War sich aber auch der Gefahr bewusst, für seine Ausführungen gesteinigt zu werden – wie er launig verkündete. Aber, Gefahr für Leib und Leben des Rezensenten bestand keine – dazu waren die Werke der vorgestellten Künstler zu vielseitig und facettenreich, jeder und jede hat sich einen ganz eigenen Blick auf das Wesentliche erarbeitet und in Kunst verwandelt.

Da ist zunächst Linda Krimmel. In 1948 in Stuttgart geboren, studierte sie Textildesign an der Stuttgarter Akademie. Baumann bezeichnete die heute in Weil im Schönbuch lebende Künstlerin als »Urgestein« des Kunstvereins. Linda Krimmel, Mutter zweier Töchter, Großmutter von vier Enkelinnen liebt das Weibliche. Es ist ihr ein Anliegen, typisch weibliche Handwerkskünste auszuüben. Sie habe, so sagt sie, die Handwerke der Frau mit Absicht betont – die Stricknadel gehöre eben zu den »Waffen der Frau«. Augenzwinkern und verschmitztes Lächeln eingeschlossen. Und so sind ihre Medusen, gehäkelt, gestrickt, mit Fransen behaftet, zärtlich anzusehen, aber der verhäkelte Draht zeugt von Widerstandslust, über den die Details aus versponnener Wolle nicht hinwegtäuschen können. Für Linda Krimmel typisch Frau – schön, gefährlich, heiter und abweisend. Einesteils – andererseits – das ist ein Teil ihres Wesens. Weben ja, sie hat es gelernt, studiert, ausgeübt – aber »Was fang ich mit dem Lappen dann an?« Das Gewebte umsetzen, verfremden. Neue Formen entstehen zu lassen. Ernsthaft betrachten die drei kleinen Nönnchen in ihren Rahmen das Geschehen in der Schleuse 16, lassen sich ein auf die Umgebung, sind aber schwer zu fassen. Wie die Hemdchen, die Kleinkinderbekleidung ähneln, es aber doch nicht sind. »An der Akademie haben sie uns die Häkelklasse genannt«, sagt Linda Krimmel trotzig. Diesen Gedanken greift Günter Baumann auf. Erinnert an die Malweiber der ersten Malklasse, an die Schwierigkeiten, die Frauen im Bauhaus hatten und schlägt so den Bogen zur aktuellen Ausstellung in der Böblinger Galerie.

Silja Lenz, Studentin der Klasse Professor Thomas Bechinger an der Stuttgarter Akademie, hat bereits eine Anzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen bestückt. Ihre überwiegend quadratischen Bilder zeigen eine ganz eigene Bildsprache, die sie verfremdet und immer wieder neu gestaltet. Wahr oder nicht wahr, schuldig oder unschuldig, wer will das erkennen. Silja Lenz, 1994 im Remstal geboren, wünscht sich eine Zukunft als freischaffende Künstlerin. »Das ist schwer«, weiß nicht nur Linda Krimmel. Auch der Böblinger Kunstverein und mit ihm Dr. Günter Baumann haben den Projektraum des Vereins darum der jungen Künstlerin geöffnet, weil es schwer sei für junge Künstlerinnen, Fuß zu fassen in der Öffentlichkeit.

Im Kabinett 43 zeigt Rainer Zerback Fotos zum Thema »Places of Interest«. Einzigartige Landschaften, Naturbilder, werden spätestens dann, wenn sie zum »Geheimtipp« erklärt werden, dem Massenansturm preisgegeben. Der 1958 in Stuttgart geborene Rainer Zerback hat dies zum Anlass genommen, die verstörende Mobilität des Menschen in seine Bilder hinein zu komponieren. Nicht der Andrang an sich ist bemerkenswert, sondern der Mensch als Individuum, der die Masse bestimmt. Die Natur, so sein Fazit, brauche den Menschen nicht. Sie ist, wie sie ist, erst der Mensch ist der Eindringling, der noch über seinen Schatten hinaus zerstört und den schönsten Plätzen sein »Ich war da« überstülpt. Die so entstandenen Bilder halten einen Zustand fest, der Fragen aufwirft. Bei näherem Hinsehen wirken sie beklemmend und verstörend. Die schönsten Plätze der Welt, abzuhaken auf einer imaginären Liste, um sich dem nächsten zuzuwenden.

Das Künstlerhaus Altes Amtsgericht präsentiert bis zum 15. März Werke ganz verschiedener Künstlerpersönlichkeiten, die es lohnen, betrachtet und hinterfragt zu werden.

Öffnungszeiten: Mittwoch von 9.30 Uhr bis 12 Uhr, Sonntag von 14 Uhr bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. Kunstgespräch am Mittwoch, 4. März, 19.45 Uhr bis 21 Uhr. Finissage: Sonntag, 15. März, mit elf jungen Cellisten der Musikschule Weil im Schönbuch, Bundessieger bei »Jugend musiziert«.

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